Guten ersten Sonntag im '22 zusammen!
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“Au-Weia, schon wieder ein Rückspiegel mit auf dem Bild gelandet.” Üblicher Weise ein eindeutiges Ausschuss-Kriterium…und ab damit in den Papierkorb. Normal ist der “gemeine ins Bild ragende Rückspiegel” ungefragt mit von der Partie und zeigt nur Stückchen von irgendetwas, das mit dem Bild in keiner Beziehung steht, die das Bild in irgendeiner Form aufwertet, ein wenig krampfiger Arm, der eine Ecke einer Kamera hällt und dazu etwas schlecht rasierter Hals plus eine Ecke Kragen in unpassender Farbe. Na, Vielen Dank auch.
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Solche Erfahrung, häufig genug gemacht, lassen genügsam werden.
Der orange Farbklecks wirkt auf einmal willkommen unzusammenhängend im Bild-Ausschnitt, wenn zumindest über die Farbzusammenstellung Zusammenhang ensteht. Dafür ist das Leuchtorange des T3 bestens geeignet, ein Selbstläufer für Landschaftsaufnahmen im Sommer, “symmetrisch komplementär” zum Blau des Himmels und zum Grün der Landschaft.
Ansonsten wäre es hier nur ein unmotivierter Archiv-Stempel im Bild. Aber die Farbe reicht mir als Grund, dass das Bild bleiben darf.
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Die erste Idee davon, dass man auch mit einem Bild mit Rückspiegel-Bild-Einspiegelung leben können kann, kam mir bei diesem Bild.
Normal hat ein Rückspiegel nicht nur nichts im Bild zu suchen, sondern ist ja gleich obendrein noch ein Nachweis für fehlende Reisekultur. Da war man schon wieder zu faul zum Anhalten oder mindestens zum Aussteigen. Drive by shooting Tourismus - übelst ! - statt etwa während eines Aufenthaltes an einem frisch entdeckten Ort, diesen dort für ein paar Stunden in Unendlichkeit zu inhalieren, et cetera…
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Eines meiner grössten Knipslaster ist aber leider das während der Fahrt blind, also aus dem Handgelenk, aus dem Seitenfenster Fotografieren. Ich mag den Überraschungseffekt und den hübschen Verwischeffekt im Bildvordergrund so sehr, dass ich es immer wieder tue. Obwohl dabei noch nie ein Bild herausgekommen ist, das mich als Bild überzeugt. Ganz abgesehen eben von der hohen Von-vornherein-Ausschuss-Quote infolge ins Bild lampender Rückspiegel.
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Wenn man Dummheiten hartnäckig genug betreibt, kann es passieren, dass grade das Ausschlusskriterium für kleine Überraschungen gut ist?
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Und nocheinmal die gleichen Zutaten, Mont Ventoux und Rückspiegel.
Trotzdem nicht die gleiche Rezeptur.
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Für dieses Bild habe ich nicht nur entschlossen gebremst und um einiges zurückgesetzt, sondern auch ein paar Minuten vor und zurück rangiert. Ist schlussendlich zu einer recht kompletten Sammlung aller Bildlichen Mittel geworden, die sich für den Aufbau einer Ilusion räumlicher Tiefe eignen. Zudem unterhalten sich nicht nur Rückspiegel und A-Säule, sondern auch noch A-Säule und Telegrafenmast. Die Farbbeziehung gibt es, wie gesagt gratis, dazu. Könnte das erste Urlaubsbild werden, das ich mir gerahmt an die Wand hänge.
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Wenn mich nicht eigentlich die etwas weniger vollständig verständlichen Bilder mehr interessieren würden.
So eine mehrfache Zerstückelung ist weniger aufdringlich verständlich und von daher interessanter, finde ich.
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Oder diese weitere “Real-Collage”?
Hier besteht die Verbindung nur noch darin, dass zwei Objekte, das Riesenrad und die eingespiegelte Ruine gleichermassen, fehl am Platz scheinen. Und plötzlich wirkt auf Grund dessen auch das Schild fehl am Platz, das für sich genommen an dem Ort eignetlich wenig überraschend in der Landschaft steht.
Das passte nur zu gut zu den Texten von Sven Regener, der beiden Element of Crime Platten, die wir an diesem Nachmittag auf der Fahrt gehört haben. Ein passender Erinnerungsschuss also.
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Das gleiche Prinzip weitergespielt kann so enden. Mit einem klaren STOP direkt neben dem Ausblick in die Ferne.
Im 18. Jahhundert wurde die sogannte “Gesperrte Landschaft” als Perspektive gepriesen und an den Akademien gelehrt. Caspar Wolf hat ein paar schöne Beispiele ausgeführt, die sich erhalten haben. In einem Ausstellung-Katalog zu seinen Bildern findet sich diese Beschreibung:
“Der Betrachter wird dazu aufgefordert, das ihm unausweichlich vor Augen geführte - etwa eine (das Bild ausfüllende) Felswand mit ihren Abwechslungreichen Strukturen, ihrem plastischen Relief - im Detail zu studieren. Gezwungen innezuhalten, wird er zudemm auf sich selbst zurückgeworfen, auf seine eigenen Empfindungen. Deshalb schätzten auch die Romantiker das “Barrikade-Bild”.”
Mit so einem Anspruch mache ich keine Urlaubsbilder, aber ein Thema jeden Urlaub wieder vollkommen zwanglos ein wenig weiter auszuprobieren ist eine meiner Lieblings-Urlaubs-Steckenpferde.
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Macht Ihr auch unsinnige Bilder ? Oder immer wieder die selben Bilder, jenseits von Selfies oder “mein Auto vor Hintergrund X” Bildern ? Geht aussichtslosen Bildideen mit viel Freude nach, die zu nichts führen sollen ?
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Gruss, T4J