Jürgens Autovilla T2

Es gibt als VW-Bus-Fan ab und an Modelle die trotz lesen und studieren von vielen Seiten von Büchern, Zeitschriften und Magazinen völlig unbekannt sind. Weil sie unpopulär sind, oder wie in diesem Fall - einfach selten.

Vor ein paar Wochen habe ich mich etwas tiefer in Recherchen begeben, was die Geschichte hinter der Jürgens Autovilla (speziell dem T2 Modell) ist. Dies möchte ich euch nicht vorenthalten.
Vorab muss ich sagen dass die Firma Jürgens Caravan nicht viel Interesse an historischem aus der Anfangszeit hat und daher viele Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenkommen.

Die Jürgens Autovilla ist der Raumwunder-VW-Bus. Platz zum stehen und quer schlafen, Technik aus dem T2b (aus dem er ja besteht).

Aussehen tun die Autovillas in ihren 2 Grundvarianten so:
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Wenn jetzt der eine oder andere denkt “ah ja habe ich glaub schon irgendwo gesehen” - dann war das vermutlich ein Karmann Mobil oder ein Karmann Safari. Für uns Europäer ist die Chance höher in freier Wildbahn oder auf Treffen ein Modell von Karmann zu sichten als eines von Jürgens.

Karmann Mobil:

Karmann Safari:

Die Karmann-Wohnmobile sind aber Lizenzbauten, ich gehe hier auf die Südafrikanischen Autovillas ein.

Die Geschichte von Jürgens Caravans

Obwohl “Jürgens Caravan-Reise” offiziell in den frühen 1950er Jahren in Südafrika (Kempton Park bei Johannesburg) begann, baute Geert Jürgens – ein Karosserie- und Karosseriebauer aus Holland – bereits 1938 seinen ersten Caravan. Als Jürgens mit seiner Familie im Schlepptau in Johannesburg ankam, arbeitete er einige Zeit im LKW-Karosseriebau, bevor er 1952 mit seinen beiden Söhnen eine eigene Fabrik eröffnete. Bald darauf trat ein Handwerker in das Unternehmen ein, und ein Jahr später zählte das Unternehmen 25 Mitarbeiter. Die ersten Wohnwagen wurden als Brotlieferwagen und mobile Bibliotheken genutzt, bis die Südafrikaner Mitte der 1950er Jahre damit begannen, Jürgens-Wohnwagen für Freizeitzwecke zu kaufen. Die Bestellungen gingen zahlreich und schnell ein; Die Mitarbeiterzahl stieg auf 48, das Unternehmen fertigt Wohnwagen, Anhänger und Reisemobile. In den späten 1950er Jahren kam die Konkurrenz mit Caravans International (CI) und ihrer Sprite-Reihe – insbesondere dem legendären Sprite Alpine. Die 1960er Jahre brachten einen weiteren Konkurrenten mit Gypsey-Caravans hervor, obwohl in diesem Jahrzehnt, als Caravaning boomte, Platz für alle war. Jürgens konnte der Nachfrage kaum nachkommen und zog in eine größere Fabrik. Gleichzeitig wurde die Krone in das Jurgens-Logo eingeführt und diente schließlich als Inspiration für den Slogan „König der freien Natur“. Im Jahr 1967 erreichte Jürgens den Meilenstein der Herstellung seines 10.000sten Wohnwagens. Jürgens war in Fahrt. Zu ihrem damaligen Erfolg trug auch bei, dass sie als Erste ein Seitenzelt in ihren Transportern einführten.

Der erste in Serie gefertigte selbstfahrende Wohnwagen – die Autovilla – kam 1973 (oder 1974 je nachdem welcher Quelle man glaubt) auf den Markt und war so erfolgreich, dass er in die ganze Welt exportiert wurde.


Schnell etablierte sich der Spitzname „Skilpad“, was auf Afrikaans Schildkröte bedeutet, dies geschuldet dem Aussehen und der Geschwindigkeit bergauf.

Jürgens Caravan Wohnwagen mit Autovilla, Design und Aufbau identisch:

Die Autovilla wurde auf einem Volkswagen-Kombi-Chassis aufgebaut, das in Deutschland speziell verstärkt wurde, bevor es als Chassis-Kabine (Kastenwagen) nach Südafrika verschifft wurde. Die Verstärkung ist dieselbe welche unter der Tieflader-Pritsche montiert war.

Tieflader-Pritsche T1 und T2:


Hier die originale VW-Verstärkung etwas besser zu sehen:

Alle diese ausgelieferten Chassis waren Rechtslenker, nicht lackiert sondern nur grundiert und stammten direkt von Volkswagen. In Südafrika wurde der hintere Teil des Kastenwagens abgetrennt, die Plattform mit 20x20 mm Vierkantstahlrohr auf 2m verbreitert. In Handarbeit baute Jürgens ihre Wohnmobilkarosse welche aus einem mit Ploystyrol (Styropor) ausisoliertem Holzgerippe besteht und aussen mit Aluminium-Wellblech bezogen wurde.


Hier kann man verstehen warum die Verstärkung unten benötigt wurde:

Grundsätzlich wurden 2 verschiedene Modelle der Aufbauten hergestellt, in den ersten Jahren war die Autovilla mit 2 Schlafplätzen erhältlich, ab ca. 1975/1976 kam die Version mit Alkoven dazu, was eine Erweiterung auf 4 Schlafplätze mit sich brachte. Beide dieser Grundversionen unterscheiden sich aber in vielen kleinen Details (Fensteranordnung, Anzahl der Fenster im Alkoven, Grundrisse, Form der Wohnmobilkarosse).

Hier ein Prospekt aus der frühen Zeit:




Die linke Seite ist holländisch, da ja die Firmengründer Holländische Wurzeln hatten und Südarfika war früh eine holländische Kolonie.

Hier ein Testbericht aus 1979:





Herrlich diese letzte Seite mit den technischen Details :slight_smile:

Für den Antrieb wurde in den ersten Jahren der 1.8 l mit 50 kW (68 PS) später der 2.0 l mit 52 kW (70PS) – beides Typ 4 Motoren - verbaut und die Höchstgeschwindigkeit wurde mit 100 km/h angegeben. Beim 1.8 l Motor wurde auch das etwas kürzer übersetzte Getriebe verbaut - bei 2.0 l Motor ist es etwas länger.

Flankiert ist der Heckmotor von einem oder zwei Tanks, Jurgens verbaute in den ersten Jahren den originalen Tank längs auf der linken Seite hinten, bei den späteren Modellen war ein zusätzlicher Tank und somit gesamt 112 Liter Benzin an Bord. 14 bis 15 Liter gönnt sich die Villa dann schon – der 2,41 oder 2,60 Meter hohe und 1760 Kilo wiegende Camper will eben bewegt sein. Dafür ist die Villa mit ihren 4,81 Längenmetern noch sehr gut rangierbar.

Zur Ausstattung gehörte spezielles Autovilla-Geschirr, welches in Styropor-Haltern wackelfrei und bruchsicher transportiert werden konnte.

Das Autovilla-Design kam so gut an, dass der deutsche Karosseriebauer Karmann in Europa den Karmann Gipsy mit Linkslenkung reproduzierte, nachdem er eine Lizenz mit Jürgens ausgehandelt hatte.

Man spricht von +/- 1000 Stück Autovillas die auf Basis des VW T2b aufgebaut wurden.
Aufgrund Ihrer Seltenheit sind heute aber nur noch seht wenige Autovillas unterwegs. In Deutschland gibt es drei, vielleicht auch 4 Autos, in England vielleicht etwa 20-30. Einige sind nach Australien und Neuseeland exportiert worden und auch in Holland sind eine Handvoll dieser Fahrzeuge bekannt. In der Schweiz ist mir ein Exemplat bekannt :blush:

Bei diesen Bildern freue ich mich auf den Sommer :slight_smile:

Eine Autovilla die in Deutschland herumfährt wurde bei der Restauration auf linkslenker umgebaut.


Restaurationsobjekte tauchen ab und an in Südafrika auf.

Weiterführung (Geschichte der Firma Jürgens Caravan)

1980 trat einer von Geerts Söhnen, Rieks, zurück und verkaufte seine Anteile an seinen Bruder Dirk. Es war das Ende einer Ära. Obwohl das Unternehmen versuchte, seinen Anteil am südafrikanischen Caravan-Markt zu behalten, war klar, dass Jürgens Umsätze an die Konkurrenz verlor. Es war Zeit, einen Geschäftspartner zu suchen. Die Terexco Group kam zur Rettung … allerdings nicht für lange, da das Geschäft weiter zurückging. Nach ein paar Jahren wurde Jürgens erneut gekauft, dieses Mal von Michael Delports Decagon Group, obwohl die Zeiten immer noch sehr herausfordernd waren und viel Arbeit vor sich lag. Um Ihnen eine Vorstellung von den Zahlen zu geben: 1989 wurden etwa 200 Jürgens-Wohnwagen hergestellt, und 1990 stieg diese Zahl – allerdings nur geringfügig – auf etwa 450. Das war bei weitem nicht genug. Irgendwie musste ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert werden. Dieses „Kaninchen“ gab es in Form des Penta-Modells.

Mit seinem aufklappbaren Dach und dem Seitenzelt war es ein Volltreffer. Allerdings war ein Modell kein Erfolg und die frühen 1990er Jahre erwiesen sich als eine schwierige Zeit für die Caravan-Welt im Allgemeinen. Glücklicherweise änderte sich dies 1994, als Jürgens eine ganz neue Generation von Transportern auf den Markt brachte. Plötzlich hatte Jürgens einen Marktanteil von 40 % und es waren ihre Konkurrenten, CI Caravans, die Probleme hatten. Also kaufte Michael Delport CI Caravans und Jürgens Ci war geboren. Die Jurgens Ci-Gruppe feierte weiterhin Erfolge nach Erfolgen mit neuen Sortimenten, doch 2007 traf Delporte die überraschende Entscheidung, das Unternehmen an die Imperial-Gruppe zu verkaufen, wo Jürgens noch heute hergestellt werden. Heutzutage ist es für Australier viel einfacher, an einen Jurgens-Wohnwagen zu kommen; Seit 2008 stellt Jürgens in seiner eigenen Produktionsstätte in Melbourne Wohnwagen her, die speziell für das australische Gelände konzipiert sind. Fast 70 Jahre und 1000.000 Karawanen später ist klar, dass Jürgens Karawanen hier bleiben werden.

Mann sieht also die verzettelte Firmengeschichte und kann nachvollziehen warum das historische der letzten 50 Jahre nicht gross interessiert. Ev. ist es aber in Südafrika auch eine andere Kultur und ein anderer Umgang mit alten Fahrzeugen.

Nach dem T2 wurden auf Basis des T3 Autovillas weitergebaut. Über diese konnte ich bisher keine Informationen auftreiben.

In den nächsten Posts werde ich noch etwas auf die Inneneinrichtung eingehen.

scheusslich, Retro-chiq, altbacken - selbst ich wanke zwischen “igitt” und “das war halt damals so” hin und her.

Ich hoffe ich konnte dem einen oder anderen VW-Bus-Nerd etwas spannendes bieten das er noch nicht kannte :face_with_monocle: :nerd_face:

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Hey, super-coole Zusammenstellung. Danke.
Hab’ leider meinen T2b Karmann Gipsy nach Belgien vekauft. Hoffe er lebt noch lange.

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Cooler beitrag Camelus.
Hatte 2021 in Dänemark an der VWeekend Vacicne Edition das Glück eine Jürgen Autovilla zu sehen. Übername dieser T2 Wohnmobile wäre SnailCamper. Gruass Larry


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Hier gibt es noch ein paar Bilder von den T3 Autovillas:




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Kommen wir zum Innenleben der T2 Autovillas, was gar nicht so einfach ist aufgrund der wenigen Dokumente von damals. Fotos aus den Facebook Autovilla-Gruppen oder der Snail-Crew Gruppe bringen aber ein wenig Licht ins dunkle:

Fahrerkabine:

Wie oben beschrieben waren alle Autovillas auf T2 Basis rechtslenker. Die Sitze und Türpappen sind mit Hellbraunem Kunstleder (canyonbraun).


(ob der obere Türgriff auf dem ersten Bild ab Werk so war bezweifle ich)

Die Tachoeinfassung und das Handschuhfach bekamen teilweise ein Holzimitat:


Es gab noch teils Aufkleber auf dem abschliessbaren Handschufachdeckel, ansonsten sind keine Abweichungen erkennbar.

Das Bett, die Betten:
Geschlafen wurde beim Modell ohne Alkofen hinten längs mit 2 Betten oder quer im Doppelbett.

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Man sieht auf dem Bild mit den Längsbetten dass das eine Bett etwas kürzer ist. Hier muss die Liegeposition der Körpergrössen angepasst werden.
Man findet auf Bildern diverse Anordnungen.

Hier könnte vermutlich noch längs geschlafen werden:

Hier eher nicht, da die Möbel im weg sind:

Hier ist klar zu sehen wie rum man liegen muss:

Beim Modell mit Alkofen gibt es über der Fahrerkabine ein 1.2 m breites Doppelbett welches über eine Leiter erklommen wird und hinten die Querbett-Bauart, welche zu einem Tisch und Sitzecke umgewandelt werden kann.

Die Polster haben typische 70er Jahre Muster:


Im selben Stoff waren die Vorhänge zur Fahrerkabine:

Die Tische hatten auf der Tischplatte eine Landkarte von Südafrika (auch mit dem Autovilla-Logo drauf):

Das nenne ich mal praktisch.

Küche:
Alle Autovillas hatten eine Kochmöglichkeit an Bord, welche über einen Zwei-Flammen-Gasherd mit Backofen beinhaltete.








Auch hier sieht man wieder die Vielfalt, z.B dass die Küche mal hinter der Zustiegstür verbaut war, meist findet man sie aber vor der Seitentüre.

Die Oberschränke sind extra unten weniger breit, um die Arbeitsfläche nicht zu sehr zu behindern. Darin befand sich oben genanntes Geschirr in den Styropor Aufbewahrungen.

Das Waschbecken der Küche befindet sich hinter der oberen Türe, ist ausschwenkbar, auch dies eine megapraktische Lösung:

Das Bad:
Nicht alle Autovillas verfügten über ein Bad. Unklar für mich ist beim betrachten von diversen Fotos was original war und was im laufe der Jahre von den Besitzern individualisiert wurde (da bei mir nicht viele Bilder vorhanden sind, oder nur schlechte weil die Fotoperspektive nicht ganz einfach ist).

Diese Autovilla hatte eine Duschtasse mit Abdeckung und ein Waschbecken. Auf den letzten Bildern sieht man den Durchlauferhitzer (DLE) für die Warmwassererzeugung.





Bei dieser Autovilla war anstelle des DLE ein Spiegelschrank:




Die Duschbrause kann an 2 Positionen eingehängt werden. Die Duschtuchstange kann vermutlich verstellt, demontiert werden.

Hier noch ein DLE in einer anderen Autovilla, unten der Klorollenhalter:

Hier ein Modell ohne Duschmöglichkeit:

Die Lüftung des Wohnraumes:
Dackluken zum Lüften waren vorhanden. Über den Seitenfenstern waren aber Lüftungsgitter verbaut, auch oben in den Alkoven.



Von Aussen sind die Regenblenden mit den Louvers dazu da, damit kein Regen reinkommt.

Das Fenster nach hinten ist ausstellbar:

Bei der seitlichen Zustiegstüre kann die Plexiglasscheibe (mit integriertem Rolle) nach unten geöffnet werden indem die Halteschraube gelöst wird.

Bei den Schränken, Oberschränken, Kühlschränken sehe ich nicht klar durch, da gab es zu viele verschiedene Varianten.




Ja ich bin immer wieder fasziniert was da für pfiffige Lösungen und Details in diese Camper eingebaut wurden - und das vor 50 Jahren. Ein Camper zum länger drin reisen und leben, mit genügend Platz um sich zu bewegen, Körperpflege, Essen kochen, und sonst alles was so ansteht beim reisen.

Ich hoffe Ihr hattet Spass beim lesen :slight_smile:

Grüüüüüüssse

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